Birigt Hippacher

Bildquelle: Birigt Hippacher

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FREI DAY – Schule im Aufbruch

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PRIM, SEK 1

Alex sitzt vertieft in sein Tablet und recherchiert zum Thema „klimafitter Bergwald“, Marie sucht währenddessen im Internet die Kontaktdaten aller Förster in der Region, Amar und Michael gestalten ein Plakat zu verschiedenen Baumarten, den Funktionen des Waldes und den klimatischen Einflüssen auf unsere Wälder.

In der Schule lernen, die Welt zu gestalten

Alle vier Schüler*innen sind gemeinsam in einem Team. Am FREI DAY-Nachmittag dürfen sie die Themen bearbeiten und sich für das engagieren, was ihnen wichtig ist. Gefunden haben die vier das Thema, indem sie sich mit den SDGs beschäftigt haben. Die SDGs sind die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen. Zu ihrer Erreichung sind wir – alle Menschen und Institutionen der UN – bis 2030 aufgerufen.

Bei der Recherche zu SDG 15 (Leben an Land) haben die vier Schüler*innen bemerkt, dass die Ökosysteme in ihrer Umgebung gar nicht so in Ordnung sind, wie sie scheinen. Der Borkenkäfer und der Klimawandel haben den Wäldern in der Region sehr zugesetzt. So wollen sie sich für den Wald engagieren. Der Höhepunkt ihres Projektes wird sein, wenn sich die ganze Klasse mit einem Förster aufmacht, um einen eigenen „klimafitten“ Wald in der Nähe zu pflanzen. 

Und was machen die anderen? Einige basteln Osterschmuck für das Wohn- und Pflegeheim in der Stadt, andere erstellen Portraits für die Vermittlung der Tiere des Tierheims, ein Schüler entwirft ein Plakat für ein Fußballturnier zugunsten der Kinderkrebshilfe und ein weiteres Team ist in der Nähe unterwegs, um eine Straßenbefragung zum Thema „Gesundheit“ durchzuführen. 

All das passiert am FREI DAY, ein Lernformat, an dem sich Schüler*innen an einem Tag der Woche für drei bis vier Stunden mit eigenen Zukunftsfragen beschäftigen. Sie entwickeln Projekte und führen diese in jahrgangsübergreifenden Teams durch. Sie arbeiten selbstorganisiert, interdisziplinär und vernetzen sich mit Expert*innen und Unternehmen. Sie setzen ihre Projekte vor Ort um, erwerben dabei Zukunftskompetenzen und übernehmen Verantwortung für sich, andere und die Gesellschaft. 

 

Birgit Hippacher

Ein Lernformat von Schule im Aufbruch

„In einer sich rasend schnell verändernden Welt, benötigen unser Schüler*innen neue Kompetenzen, sogenannte Metakompetenzen. Dazu gehören Verantwortungsbewusstsein, Handlungsmut, Lösungsorientierung, Resilienz und vieles andere. Genauso wichtig sind die 4-K-Kompetenzen: Kommunikation, Kollaboration, kritisches Denken und Kreativität. Diese Fähigkeiten benötigen junge Menschen in der Zukunft“, so Birgit Hippacher, Vorständin des Vereins von FREI DAY Österreich. Sie begleitet jeden Montagnachmittag zwei Klassen der BHAK Lienz beim FREI DAY, der auch „Schulfach Zukunft“ genannt wird. Auch in der Lehrerfortbildung an der Pädagogischen Hochschule Tirol ist Hippacher tätig. „Die Fortbildungsformate zum FREI DAY kommen sehr gut an. Immer mehr Schulen machen sich auf den Weg, um dieses Lernformat zu pilotieren und dauerhaft umzusetzen. In Österreich sind es schon über 35 Schulen, von denen wir wissen und fast wöchentlich erfahren wir von Newcomern. Das spannende: Jede Schule findet ihren eigenen Weg, um den FREI DAY organisatorisch umzusetzen.“ 

Der Vorteil: Das Lernformat unterstützt auch die Umsetzung der neuen Lehrpläne. In den Leitvorstellungen der allgemeinen Bildungsziele sind alle Bereiche beschrieben, die mit dem Lernformat FREI DAY gut erreicht werden können. Der FREI DAY ist auch ein großartiges Inklusionsformat, denn bei den Projekten können alle etwas beitragen. 

Die Bausteine und Fakten des FREI DAY:

  • Der FREI DAY ist mit drei bis vier Schulstunden fix im Stundeplan verankert. Das heißt, die Lehrer*innen widmen einen Teil ihrer regulären Stunden auf einen Block zusammengelegt dem FREI DAY. Es wird nichts gekürzt und keine Stunden gehen verloren.
  • Die Schüler*innen beschäftigen sich mit Fragen, die ihre Zukunft betreffen. Am besten gelingt das über die Sustainable Development Goals oder andere Zugänge zu einer nachhaltigen und guten Welt für uns alle.
  • Die Schüler*innen arbeiten immer in Teams, idealerweise klassen- oder jahrgangsübergreifend. Wenn sich die Teams nach Interesse zusammenfinden, ist das die beste Teamsituation.
  • Am FREI DAY öffnet sich die Schule, die Schüler*innen gehen dahin, wo ihre Projekte durchgeführt werden oder holen sich Expert*innen, die ihnen helfen, ihre Fragen zu beantworten. 
  • Die Aufgabe und Rolle der Lehrperson ist dabei zu begleiten, ermöglichen, reflektieren und coachen. 
  • Wenn möglich, sollte der FREI DAY ohne Notendruck stattfinden – wohl aber mit Leistungsrückmeldung. So finden Konkurrenzdenken, Leistungsdruck und Zwang im Lernformat keinen Platz. Die Motivation der Schüler*innen erfolgt über die Wahl des Themas, welches ihnen am Herzen liegt.

Fazit

Der FREI DAY ist mehr als nur ein Lernformat – es ist eine Philosophie, die darauf abzielt, das Lernen zu einem dynamischen und bereichernden Erlebnis zu machen. Er ist der Beginn einer Transformation des Bildungswesens. 


Indem er Schüler*innen die Möglichkeit gibt, ihren eigenen Lernweg zu wählen und ihre Interessen zu verfolgen, werden nicht nur ihre kognitiven Kompetenzen, sondern auch ihre persönliche und soziale Entwicklung gefördert und unterstützt den Erwerb sogenannter Zukunftskompetenzen. Für Pädagog*innen bietet FREI DAY eine wertvolle Gelegenheit, den Unterricht zu individualisieren und die Lernenden auf ihrem Weg Richtung Zukunft zu begleiten. In einer Zeit, in der Bildung immer komplexer und vielfältiger wird, ist der FREI DAY ein vielversprechender Ansatz zur zukünftigen Lerngestaltung.

 

Birgit Hippacher

Birgit Hippacher

Birgit Hippacher

ist Pädagogin an der BHAK Lienz, Dozentin an der PH Tirol (Fachbereich Bildung für nachhaltige Entwicklung), Gastdozentin an anderen österreichischen PHs, FREI DAY-Fortbildungskoordinatorin sowie Gründungsmitglied und Vorständin des Vereins FREI DAY Österreich – Initiative Bildungswandel für nachhaltige Entwicklung.

Bildquelle: privat