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Kolumne

Naschkatzen

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PRIM, SEK 1

Gerade war noch 10-Minuten-Pause. Und schon stehe ich mit meiner Kollegin wieder in einer zweiten Klasse. „Kann ich bitte auf die Toilette?“, erste Minute, erster Satz, erste Schülerfrage. „Echt jetzt? Es war doch gerade Pause?“, frage ich verdattert. Aber wenn er muss, dann muss er. Verbieten kann ich es nicht, und warum in der Pause gehen, wenn man die Deutschstunde verkürzen kann? 

Das Thema „Auf die Toilette gehen“, ist ja wirklich schon ein alter Hut, aber so aktuell wie eh und je. Warum gehen die Kids nicht in der Pause aufs WC? Ich meine, mir ist schon klar: weniger Stunde, mehr Pause. Und du musst das Kind ja aufs stille Örtchen lassen. Das sind halt unsere Probleme als Lehrer*innen. Aber Schwamm drüber. Gibt definitiv Wichtigeres. Die nächsten langen Wochenenden stehen an und der Stoff muss durchgebracht werden. Man kann sagen, die Zeit rennt einem ständig davon. Exkursionen sind nicht selten im zweiten Semester und Workshops, Besuche in der Gemeinde und andere außerordentliche Schulveranstaltungen stehen am Programm.  „Wie sollen wir denn den ganzen Stoff schaffen?“, raune ich meiner Kollegin leise zu. Sie schüttelt auch den rauchenden Kopf, aber irgendwie geht es sich trotz Terminkollisionen immer aus. Man wird zum Organisationswunder. Stundenverschiebungen stehen an der Tagesordnung und irgendwie verletzt sich in jeder großen Pause ein Kind. Ich kann gar nicht sagen, wie oft ich die Frage „Kann ich ein Coolbag haben?“ schon gehört habe. 

So wie Kurti aus der 1c. Er ist einfach ein Schussel und bugstiert sich quasi von Unfall zu Unfall. „Wo ist das Coolbag?“, rufe ich. „Der Kurti hat sich schon wieder verletzt.“ Coolbag raus, Tränen trocknen, wieder rein in die Klasse. Am nächsten Tag hinkt Kurti ins Klassenzimmer. Oje. „Tut´s dir noch immer weh?“, frage ich besorgt. Nein, Kurti hatte gestern daheim seinen nächsten Unfall. Die Schulverunfallung ist längst vergessen. Wann ist Kurti eigentlich nicht verletzt? Wenn ich Hofaufsicht habe, schleife ich ihn regelmäßig ins Lehrerzimmer, um ihn mit Pflastern und Kühlpackerl zu versorgen. Sorry: Coolbag! Ich habe zwei kleine Kinder zu Hause und auch so ein kühlendes Teil im Gefrierschrank, aber muss gestehen: Ich verwende es selten. Entweder sind meine Kinder keine Bruchpiloten oder ich bin so eine Rabenmutter und gebe ihnen das Ding einfach nicht. Mein Coolbag daheim schaut übrigens wie ein kleiner, dicker Wal aus. Ich glaube, ich habe ihn auch nicht wegen seiner Funktion gekauft, sondern weil er einfach süß aussieht. 

Man kann also sagen: Kühlen ist die Quintessenz des Lehrer*innen-Daseins. Das und, wenn es schon um Pausen geht: das Naschtischerl. Genau, Lehrer*innen sind Naschkatzen! Man könnte auch unfein behaupten, dass wir verfressen sind. Kaum steht eine Packung Kekse, ein Kuchen oder etwas anderes Leckeres am Tisch – deswegen „Naschtischerl“ – wird es beinahe inhaliert. Morgen hat übrigens Kollegin K. Geburtstag und ich hoffe auf süße Köstlichkeiten, die ich verspeisen kann. Hast du in der ersten Stunde frei, bist du verloren, weil dann das „Naschtischerl“ leer ist. „Wo sind denn die guten Schokotaler und der Nusskuchen von gestern?“, fragt der neue Kollege M. In Lehrer*in-Fress-Zeitrechnung war das ungefähr zur Zeit der Dinosaurier. Also: falsche Frage. Kommt eine Stunde später und glaubt, dass wir ihm was übrig lassen.  Ich höre das diabolische Lachen in meinem Kopf und weiß: Schokolade überlebt hier nicht lange. Aber es muss ja gar nicht in erster Linie was Süßes sein. Ob pikant, kross, cremig, scharf: Wir essen definitiv alles. Wenn ich mich an das Abschiedsbuffet von Kollegin A. erinnere, läuft mir in der Deutschstunde das Wasser im Mund zusammen. 

Zwischen Coolbags und schokoladigen Köstlichkeiten gibt es auch noch Unterricht. Schüler T. will mich mit einem Karamellzuckerl bestechen, damit es keine Hausübung gibt. Natürlich bleibe ich standhaft, außerdem mag ich Karamellzuckerl nicht. Hausübung hätte es trotzdem gegeben, ich will  ja nicht unseriös wirken. Und Fakt ist: Der Unterricht ist das Wichtigste am Lehrer*innenalltag. Wer braucht schon Schokolade? ;)

Sonja Krätschmer

Sonja Krätschmer

Die gebürtige Steierin ist Zweifachmama und war viele Jahren Redakteurin bei der Kleinen Zeitung. Sie folgte nach der Karenz ihrem Hobby und wurde Bibliothekarin. Seit Kurzem ist die Quereinsteigerin in der Mittelschule Spielberg u. a. als Deutschlehrerin tätig.

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