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Kolumne

Von der Klassenlektüre zum Ass der Lektüre

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PRIM, SEK 1

Ziel einer Klassenlektüre ist es, die Freude der Kinder am Lesen zu steigern und sie zum Lesen zu motivieren. Denke ich an meine eigene Schulzeit zurück, fallen mir sofort die Reclam-Hefte ein, die ich lesen musste und mich nicht immer restlos begeisterten – von ein paar Ausnahmen abgesehen.

„Pflichtlektüre“ wurde dies damals genannt und es war meinem Deutschprofessor ziemlich egal, ob ich mich für den Inhalt interessierte oder ob ich motiviert war, diesen zu lesen. „Was sein muss, muss sein“, lautete die Devise. Gott sei Dank hat sich in den letzten 35 Jahren diesbezüglich einiges verändert. Das hoffe ich zumindest, denn sprechen kann ich hier nur von der Volksschule.

Sucht man heute mit einer beliebten Suchmaschine das Wort „Klassenlektüre“, erhält man 91 000 Ergebnisse in 0,49 Sekunden. So schnell findet man die passende Klassenlektüre für die eigene Klasse (leider) nicht. Da kommen schon noch ein paar Minuten oder vielleicht auch Stunden dazu. Es finden sich in jeder Schule bereits verwendete Lektüren in Klassenstärke, da bin ich mir sicher. Allerdings bin ich mir nicht so sicher, wie modern diese denn sind. Obwohl manche Klassiker dabei sein sollen/müssen/dürfen. Die Bücher bedürfen in vielen Schulen einer Inspektion hinsichtlich Zustands, Aktualität und Rechtschreibung. Auch das Leseinteresse der Kinder und Jugendlichen am eigenen Standort könnte man dazu gleich einmal abfragen. Mittels IQES* ist so eine Fragebogenerstellung gar nicht so schwierig und man bleibt am Puls der Zeit.

Ebenfalls schwierig: das Budget für die Klassenlektüre. Einige Bücher dezimieren sich über die Jahre wie von selbst, andere wiederum kommen in desolatem Zustand retour und sind nach einem Aufenthalt in der „Reparaturwerkstatt“ der Schule (= Pädagoge*in repariert mit Klebeband) noch etliche Jahre im Einsatz. Der Neuankauf von Büchern in Klassenstärke ist nicht so einfach, wie wenn man nur ein einzelnes Buch für den Unterricht kauft. Hierbei werden Preise verglichen, das Kollegium befragt und wenn man sich entschieden hat, dann wird geschaut, für wie viele Bücher das Budget noch reicht oder wer/was zugunsten der Klassenlektüre auf eine Investition verzichtet. Hat man dann als Pädagog*in noch die Idee, im Paket auch Unterrichtsmaterialien zum gewählten Buch zu bestellen, wird man höflich darauf aufmerksam gemacht, doch zu schauen, ob es diese nicht im Internet gratis gebe. „Früher haben wir uns das ohnehin alles selbst zusammengesucht und Arbeitsblätter erstellt – handschriftlich versteht sich“, so der Ratschlag der „Best Ager-Kollegenschaft“.

Bitte verwechseln wir nicht das „Klassenbuch“ mit dem „klassen“ (= tollen) Buch. Für manche Lehrperson oder die Schulleitung ist das Klassenbuch vielleicht aber auch ein klasses Buch beziehungsweise eine klasse Lektüre – wer weiß?

Nun zur Lektüre, die ich gerne verwende und die meine Schüler*innen klasse finden: Spitzenreiter sind das „Vamperl“ von Renate Welsh und die „Zugmaus“ von Uwe Timm.Gerade in der Corona-Zeit nutzten wir an unserer Schule dieses Ass im Lektüreärmel. Für die Zeit der jeweiligen Lockdowns gab es ein Buch mit nach Hause, das in drei Wochen zu lesen war. Diverse Arbeitsaufträge zum Buch wurden online gestellt und für die Kinder das Quiz in Antolin dafür freigeschaltet. So konnte wirklich mit Lesen gepunktet werden. Besonders lustig ist es, wenn dann wieder, in Präsenz, zum Buch gemeinsam im Projektunterricht gearbeitet wird oder sogar die Option besteht, sich als eine Figur aus dem Buch zu verkleiden und so einen Vormittag in der Klasse zu verbringen.

Zu guter Letzt noch ein Abschlussgedanke: Mir kommt gerade die Idee vom Bücherwurm, der sich durch die Bücher frisst. In Klassenlektüre steckt auch, mit ein bisschen Wortspielerei, „aß(ss)en Lektüre“. Von dieser Seite habe ich das ja noch gar nicht gesehen: Lektüre zu verschlingen und in ihr komplett zu versinken. Wenn uns das in der Schule mit Klassenlektüre gelingt, dann haben wir gewonnen.

Die Sieger heißen dann Asse der Lektüre!

*IQES ist eine digitale Arbeits- und Lernplatt­form für Schule und Unterricht. Hier finden sich auch Vorlagen für eine Fragebogenerstellung:
IQES

Doris Ganglbauer

Doris Ganglbauer

ist Lehrerin und Schulleiterin der Volksschule Gleink in Steyr/OÖ. Im Februar 2022 erschien ihr erstes Buch „Mein Glückstagebuch mit Felix“ (Verlag Ennsthaler), das Kinder unterstützen soll, resilient und glücklich zu bleiben oder zu werden.

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