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Digitaler Unterricht

Barrierefreiheit

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PRIM, SEK 1

Barrierefreiheit im Unterricht bedeutet weit mehr als die Beseitigung von Barrieren im Schulgebäude – sie beginnt bei der Unterrichtsplanung! Wie kann das Lernen so gestaltet werden, dass alle Schüler*innen daran teilhaben können – unabhängig von Sprache, Beeinträchtigung oder Lerntempo? Inklusion im Klassenzimmer benötigt ein auf Barrierefreiheit ausgerichtetes didaktisches Konzept.

Seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2008 verpflichtet sich Österreich zu einem inklusiven Bildungssystem. Das Schulunterrichtsgesetz (§ 17a) sieht vor, dass Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf integrativ unterrichtet werden sollten. Doch trotz rechtlicher Rahmenbedingungen bleibt die Umsetzung oft lückenhaft – dabei gibt es viele Möglichkeiten, Unterricht, Materialien und Prüfungsformate barrierefrei zu gestalten. 

Das Konzept der barrierefreien Didaktik 

Wenn Unterricht so gestaltet wird, dass er für möglichst viele Lernende zugänglich und verständlich ist – unabhängig von Sprache, Lernstil oder Beeinträchtigung – spricht man von barrierefreier Didaktik. Für Lehrkräfte bedeutet dies nicht zwingend einen Mehraufwand bei der Unterrichtsvorbereitung, sondern vor allem ein Umdenken in Richtung differenzierter Lernangebote, mehrkanaliger Vermittlung und offener Aufgabenstellungen. Die entscheidende Frage bei der Unterrichtsvorbereitung lautet somit: Wie kann ich Inhalte so aufbereiten, dass möglichst viele Kinder und Jugendliche einen Zugang dazu finden?

Was bedeutet Barrierefreiheit im Unterricht konkret?

Digitale Medien bieten eine Vielzahl von Möglichkeiten, Unterricht inklusiv zu gestalten – aber es braucht keineswegs immer anspruchsvolle technische Lösungen – am wichtigsten ist die persönliche Haltung, die Vielfalt als Bereicherung versteht! 

Ganz praktisch genügt es oft schon, den eigenen Vortrag visuell (zum Beispiel mit Symbolen) zu unterstützen, Arbeitsmaterialien mit Leselinealen zu versehen oder Unterrichtsgespräche in leichter Sprache zu führen. Digitale Arbeitsblätter lassen sich ohne größeren Aufwand mit Video- und Tondateien anreichern, KI-Tools bieten Erklärungs- und Übersetzungshilfen für die Lernenden und können Lehrkräften bei der Bereitstellung differenzierter und individualisierter Lernmaterialien entlasten. 

Kinder mit Leseschwäche können von Hörtexten profitieren, Lernende mit Konzentrationsproblemen von einer klaren visuellen Aufgabenstruktur und einem möglichst ablenkungsfreien Unterrichtssetting. Letztendlich profitieren alle Lernenden davon, wenn der Unterricht konsequent mehrkanalig, klar strukturiert und verständlich gestaltet wird. Die Erfahrung, ein Stück weit selbstbestimmt das Unterrichtsgeschehen mitbestimmen zu können, fördert Teilhabe und Motivation.

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Praktische Tipps für den barrierearmen Unterricht

  • Mehrkanalige Vermittlung: Inhalte werden visuell, auditiv und handelnd erfahrbar gemacht, z. B. durch Bilder, Videos, Audiotexte und haptische Anschauungsmaterialien.
  • Flexible Zugänge und differenzierte Arbeitsmaterialien: Aufgaben werden in verschiedenen Schwierigkeitsgraden oder Formaten (schriftlich und mündlich, analog und digital, analytisch und kreativ) angeboten.
  • Verständlichkeit: Einfache Sprache, klare Unterrichtsstrukturen, Wiederholungen, visuelle und auditive Unterstützung (z. B. Alternativtexte für Bilder, Untertitel und Transkriptionen für Audio- und Videoinhalte; auch gut lesbare Schriftarten und ausreichend Kontraste).
  • Selbstbestimmung: Schüler*innen erhalten Wahlmöglichkeiten bei Themen, Medien oder Präsentationsformen. 

Wie kann Barrierefreiheit in der Bildung gefördert werden?

Dies wiederum heißt nicht, dass Barrierefreiheit mühelos zu erreichen ist oder letztendlich allein in der Verantwortung der Lehrkraft liegt. Guter, barrierefreier Unterricht benötigt Zeit für die Unterrichtsplanung, Reflexion und Abstimmung im Klassenteam. Lehrkräfte benötigen gezielte Fortbildungen zur inklusiven Unterrichtsgestaltung, passende Unterrichtsmaterialien sowie frei zugängliche, barrierefreie Tools. 

Digitale Tools für barrierefreien bzw. barrierearmen Unterricht

  • MULTiTEXT ist eine umfangreiche Schul- und Kommunikationssoftware für Menschen mit Behinderung.
  • Der BookCreator ist ein multimediales digitales Buch, das sich zur Leseförderung, dem Storytelling oder für die Projektarbeit eignet. Mit ihm lassen sich Inhalte als Texte, Audiodateien, Bilder und Videos darstellen. 
  • Explain Everything ist eine Whiteboard-App, die auch Sprache aufnehmen kann, sodass mit ihr ohne großen Aufwand Erklärvideos erstellt oder Präsentationen multimedial erweitert werden können.
  • Large Language Models (LLMs) erleichtern die Erstellung differenzierter Unterrichtsmaterialien sowie die Anpassung eigener Lernmaterialien an verschiedene Sprachniveaus. Sie können darüber hinaus als individuelle Unterrichtsassistenz genutzt werden.

Barrierefreiheit ist ein Prozess, kein Zustand. Sie dient allen Schülerinnen und Schülern. Dafür brauchen die Schulen Unterstützung durch die Politik, Aus- und Fortbildung und den Ausbau der Infrastruktur.

Fazit

Barrierefreiheit im Unterricht beginnt bei der Unterrichtsvorbereitung und mit dem Mut, gewohnte Lehr- und Lern-Pfade zu verlassen. Didaktische Vielfalt ist kein Luxus, sondern eine pädagogische Notwendigkeit. Wenn Schüler*innen erleben, dass sie verstanden werden – unabhängig von Sprache, Lerntempo oder Arbeitsstil – ist das ein bedeutender Schritt zur gesellschaftlichen Teilhabe. Ein inklusives Bildungssystem profitiert nicht nur von Vielfalt – es braucht sie. 

Thomas Rudel

Thomas Rudel

ist Gymnasiallehrer für die Fächer Deutsch, Geographie und Medienbildung. Er leitet ein kommunales Medienzentrum und unterstützt die Schulen und Schulträger in allen Bereichen der Medienbildung.

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Michael Reder

Michael Reder

ist Lehrkraft an einem Gymnasium für die Fächer Englisch, Medienbildung und Sport. Als medienpädagogischer Berater unterstützt er Lehrkräfte bei allen Fragen rund um die Medienbildung.

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