Harald Eisenberger

Bildquelle: Harald Eisenberger

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Gourmettempel Bücherei

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PRIM, SEK 1

Literatur ist Grundnahrungsmittel. Wer weiß, wie spannend, erholsam, abenteuerlich, sinnlich, vielfältig, bewegend und informativ es ist, in Geschichten abzutauchen, wird dieser Aussage sofort zustimmen. Doch wie macht man angehenden Leser*innen oder Lesemuffeln die Welt der Bücher schmackhaft? Mit Appetithäppchen!

Bücher auf dem Silbertablett

Dabei gilt auch für Bücher: der erste Eindruck zählt! Und in diesem Fall hängt dieser erste Eindruck von der Gestaltung und damit Attraktivität des Covers ab. Noch bevor wir Titel oder Klappentext lesen, nehmen wir visuelle Elemente wahr und reagieren auf sie. Gefällt das Gesehene, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Buch in die Hand genommen und weiter beäugt wird. Doch welches Buchcover weckt Aufmerksamkeit und macht neugierig? Meist sind das jene Bücher, die in ihrer typografischen Gestaltung und Bildauswahl aktuelle Sehgewohnheiten und visuelle Trends aufgreifen. Aktuelle Neuerscheinungen tun dies in der Regel sehr bewusst und mit viel Bedacht. Um diese wertvolle Vorarbeit der Büchermacher*innen in den Büchereien zu nutzen, müssen die Titelbilder allerdings sichtbar sein. Das heißt, es sollte in der Bücherei neben der ohnehin empfohlenen Frontalpräsentation (ein Drittel jedes Regalfachs sollte dafür reserviert werden) mindestens einen Bereich geben, in dem neue oder besondere Bücher ansprechend präsentiert werden können. Das können klassische Aufsteller, thematisch dekorierte Büchertische oder zu Vitrinen umfunktionierte Aquarien sein – der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Sollten die Bücher eine Broschur erhalten, lassen sich Cover der Neuerwerbungen ganz einfach ausgedruckt auf einer Wäscheleine aufhängen und präsentieren. Coverabbildungen finden sich übrigens im Pressebereich der meisten Verlage zum Download. Die Rückseite des Ausdrucks bietet dabei nicht nur Platz für Bewertung, Leseprobe oder Rätselaufgaben, sondern auch für die Signatur. So kann gleichzeitig auch das Zurechtfinden in der Bücherei geschult werden.

Ganz nach Gusto

Eine Möglichkeit, die Attraktivität von Buchcovern für eine motivierende Gruppenaktivität in der Bücherei (oder auch im Klassenzimmer) zu nutzen ist beispielsweise das Buchvoting nach der Idee des Autors Frank M. Reifenberg.¹ Hier wird Bewegung mit dem Entdecken von Büchern und der Beschäftigung mit den Titelbildern kombiniert. In einem ersten Schritt werden dabei auf dem Boden ausgelegte Bücher (etwa fünfzehn bis zwanzig Stück) „umtanzt“: Die Kinder/Jugendlichen bewegen sich zu Musik frei durch den Raum, betrachten dabei die Buchcover und lassen diese auf sich wirken. Nach etwa vier bis fünf Minuten wird die Musik gestoppt. Die Bücher dürfen jetzt in die Hand genommen, genauer betrachtet, darin geblättert und auch gelesen werden – nach Möglichkeit sollten alle Bücher einmal angeschaut werden. Hierfür bekommen die Schüler*innen bis zu 15 Minuten Zeit. Liegt der Fokus der Veranstaltung allein auf der Attraktivität und Wirkung der Cover, kann dieser Schritt der Buchbegegnung auch gekürzt und direkt zur Abstimmung übergegangen werden. Für das Voting bekommt jede*r Teilnehmer*in drei Haftnotiz-Zettel, mit denen die Bücher markiert werden können. Bücher, die die Neugier geweckt und Lust aufs Lesen gemacht haben, werden gekennzeichnet und so drei Siegertitel ermittelt. Die Bücher mit den meisten Stimmen werden im Anschluss entsprechend präsentiert und bekommen für einen gewissen Zeitraum einen Ehrenplatz in der Bücherei zugewiesen. Ein Siegertreppchen oder auch Silbertablett, das auf diese Weise in regelmäßigen Abständen neu bestückt wird, bietet den von den Kindern prämierten Büchern eine passende Bühne.

Lesefrüchte

Sie haben neue oder bewährte Bücher in ihrer Bücherei, die sie Ihren Leser*innen gerne schmackhaft machen möchten? Warum laden Sie nicht zu einer Buchverkostung² ein? Diese lässt sich in Anlehnung an ein Drei-Gänge-Menü ansprechend gestalten und umsetzen. Decken Sie dazu einfach drei oder mehr Tische festlich ein und dekorieren Sie die ausgewählten Bücher ansprechend auf den Tellern. Hübsch gestaltete Menükarten für die Tische runden das Erlebnis ab und geben den Buchtester*innen die Möglichkeit, sich einen Überblick zu verschaffen; Bewertungsbögen, die für die Kritiker*innen bereit liegen oder als Laufzettel mitgegeben werden, erleichtern die Beurteilung und Ergebnissicherung.

Sind die Gäste eingetroffen und über den Ablauf informiert, kann es auch schon losgehen: Die Kinder nehmen an den Tischen Platz und haben zehn Minuten Zeit, um das vor ihnen liegende Buch zu testen. Es darf geblättert, angelesen und mit den Sitznachbar*innen diskutiert werden. Trifft das Buch den Lesegeschmack? Auf den Bewertungsbögen wird das Geschmackserlebnis dokumentiert, bevor das Glöckchen zum nächsten Gang läutet und sich die Kinder an den nächsten Tisch begeben, um neue Lesefrüchte zu testen.

 

¹ https://alf-hannover.de/sites/default/files/materialien/buchvoting.pdf
² Das Team des Bücherbusses (Landkreises Wolfenbüttel) bietet Booktasting für Sachbücher an: https://alf-hannover.de/sites/default/files/materialien/booktasting_0.pdf 

Marlene Zöhrer

Marlene Zöhrer

hat das Lesen, Vermitteln und Erforschen von Kinder- und Jugendliteratur zu ihrem Beruf gemacht: Sie ist Hochschulprofessorin für Kinder- und Jugendliteratur und Deutschdidaktik an der PH Steiermark und Leiterin des dortigen KiJuLit-Zentrums.

Bildquelle: privat