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Kolumne

Ein ganz normaler Schultag

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Storytelling aus dem Alltag einer Schulleiterin und Lehrerin

Um 05.15 Uhr startet mein Tag mit dem Klingeln des Weckers. Gegen Ende der Woche verlängert sich das Schlummern dann schon um 20 Minuten. Kurz noch frühstücken und die Tageszeitung lesen und dann geht es auf in „meine“ Schule.

Um 6.45 Uhr beginnt die erste Besprechung mit dem Schulwart, unserem einzigen Mann im Team Volksschule. Er hat es nicht unbedingt immer leicht mit uns Frauen. Da ist die Besprechung manchmal auch ein Abfangen diverser Unstimmigkeiten und Gefühlsverwirrungen. Doch ein Kaffee muss sich trotzdem noch ausgehen.

Weiter geht es in den ersten Stock in meine Direktion und kurz darauf in meine Klasse, ich unterrichte „neben“ meiner Schulleitertätigkeit auch noch 15 Stunden in der Woche, da es an der Schule nur vier Klassen gibt. Ist doch ein Klacks, oder?

Da kommen auch schon die ersten Mails und Anrufe von Eltern, die die Kinder krankmelden oder um 7.10 Uhr schon eine Lehrerin sprechen oder einfach nur mitteilen wollen, dass die Autos zu schnell bei der Schule vorbeifahren und die Polizei doch bitte kontrollieren soll. Dann kommen die Lehrerinnen und wenn noch Zeit bleibt, treffen wir uns im 5 m2 großen Lehrerzimmer. Die eine regt sich über das System Schule auf und die Forderungen nach einem Blackout-Leitfaden, die nächste stöhnt über die vielen Eltern-Nachrichten auf der hallo!-App und beklagt, dass wir keine Diensthandys haben. Eine andere fragt – Gott sei Dank –, ob wir heute gemeinsam Mittagessen gehen und die letzte hetzt zur Tür herein, weil das eigene Kind zu Hause krank ist, aber aus Mangel an Supplierreserve die Devise herrscht: „Du bleibst halt zwei Stunden allein, dann kommt die Oma und ich ruf dich in der Pause mal an.“ 

Um 7.45 Uhr startet dann mein Unterricht in der vierten Klasse. Eigentlich arbeite ich da schon seit einer Stunde. Gegen 11.45 Uhr komme ich in die Kanzlei zurück und werde von ISO.Web, dem Serviceportal Bund und vielen Mails empfangen. Sogleich läutet auch schon das Telefon. Ein Vertreter möchte mir neue Turngeräte verkaufen und will persönlich vorbeikommen, da wir uns seit Corona nicht gesehen haben. Um genauer zu sein, habe ich ihn überhaupt noch nie gesehen, da ich erst das zweite Jahr Schulleiterin bin. Kaum aufgelegt, ruft die Leiterin des Freizeitbereichs unserer Ganztagesschule an und teilt mir mit, dass sie krank ist und ob ich den Speiseplan der Aushilfe geben kann. Da ruft auch schon die Ausspeisung an, ob wir heute kein Mittagessen brauchen, weil nichts bestellt wurde. Gut, dass ich in der Früh schon Magnesium und Vitamine genommen habe. Die sollen für Beruhigung sorgen, steht zumindest am Beipackzettel.

Weiter geht’s zum Serviceportal Bund – ach, wie ich es liebe, die Zahlungskontrollliste mit der Handysignatur meines Privathandys zu erledigen. Da schaut eine Kollegin zur Tür herein: „Hast du heute Mittag kurz Zeit für ein Gespräch? Ich habe schon schlaflose Nächte wegen nächstem Jahr!“ Natürlich nehme ich mir die Zeit für Mitarbeitergespräche.

Ein Mail mit der Einladung zur Leiterdienstbesprechung – nicht online, dafür den ganzen Nachmittag, 20 Kilometer weit entfernt. Da geht es dann um den SEP. Insider wissen, was das ist, denn wir kennen uns mittlerweile alle gut mit QMS, Q-SK, QR, IQES, IKMPLUS usw. aus. Die Abkürzungen ändern sich mit jedem Schuljahr, sodass wir nebenbei auch noch eine Alzheimer-Prophylaxe gratis bekommen. Das Unterrichtsministerium schaut halt auf uns! Apropos, da kommt schon ein Mail vom „Team Kommunikation“. 

Das Telefon läutet erneut: Der Magistrat teilt mir mit, dass es kein Geld für einen Schulzubau gibt und außerdem der Denkmalschutz das unmöglich macht.

Nach dem Gespräch mit der Kollegin finden wir Zeit für ein Mittagessen. Den Weg dorthin legen wir zu Fuß zurück, ich brauche Frischluft. Zurück in der Schule erstelle ich noch schnell ein paar Listen, korrigiere die Schularbeit und dann geht es auf zur Besprechung mit dem Kindergarten: Nahtstellenarbeit!

Schließlich ist es 16.30 Uhr. Zur Erinnerung: Ich arbeite seit knapp neun Stunden! Aber wir Lehrer*innen haben ja bekanntlich immer frei, nicht wahr? Erschöpft fahre ich nach Hause. Dort fällt mir ein: Herrje, die Schulhomepage habe ich nicht aktualisiert und für den Schulmanagement-Lehrgang am Wochenende an der Pädagogischen Hochschule muss ich mich auch noch vorbereiten. 

Da ich Familie habe, erledige ich danach noch schnell den Haushalt und falle um 20.00 Uhr erschöpft auf die Couch. Die Sendung „Welche Herausforderungen kommen auf die Schulen in nächster Zeit zu?“ im Fernsehen sehe ich nicht mehr, weil ich schon eingeschlafen bin. Mir reichen die Herausforderungen jedes einzelnen Tages.

Schon Jean-Paul Sartre meinte, dass wir „alles im menschlichen Leben durch Geschichten verstehen“. Vielleicht verstehen Sie durch meine Geschichte das Leben von Pädagogen*innen etwas besser oder aber Sie finden sich in dieser Story sogar ein bisschen selbst wieder.

Doris Ganglbauer

Doris Ganglbauer

ist Lehrerin und Schulleiterin der Volksschule Gleink in Steyr/OÖ. Im Februar 2022 erschien ihr erstes Buch „Mein Glückstagebuch mit Felix“ (Verlag Ennsthaler), das Kinder unterstützen soll, resilient und glücklich zu bleiben oder zu werden.

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