Gorodenkoff/Shutterstock.com

Bildquelle: Gorodenkoff/Shutterstock.com

Kolumne

„Frau Lehrerin“ und die Sache mit der Skala

article Kolumne
PRIM, SEK 1

Ich bin gerade parallel zu meinem normalen Job als Lehrerin auf der Pädagogischen Hochschule. Im Quereinsteiger-Lehrgang muss ich gewisse Kurse nachholen. Das ist auf jeden Fall eine Bereicherung, allerdings gibt es Dinge, die ich ganz und gar nicht verstehe.

Zum Beispiel: Ich lerne jetzt erst, wie man den Unterricht hält, obwohl ich schon seit über einem Jahr unterrichte. Spannend, oder? Tja, im Lehrberuf ist vieles spannend. Dazu gehört auch die Organisation des Studiums. Ich habe dafür acht Jahre Zeit, was eigentlich ein langer Zeitraum ist. Ich denke mir wirklich oft: „Wenn ich in acht Jahren noch immer nicht unterrichten kann, sollte ich eventuell den Beruf wechseln.“ Aber im Bereich „Öffentlicher Dienst“ gibt es viele Mysterien und offene Fragen. Am besten denkt man nicht allzu viel darüber nach.. 

Zurück zur Uni. In einem meiner aktuellen Kurse geht es um die Einführung in die Bildungswissenschaften. Mich holt der Stoff dort absolut nicht ab. Ich kann nicht verstehen, wie es meinen Unterricht erleichtern soll, wenn ich die Marzano-Skala verwende. Und es scheint auch sonst niemand zu tun. Als ich meine Kolleg*innen danach fragte, wusste niemand, was das ist. Dabei sollten sie es auf der Uni doch schon mal gehört haben. Wie realitätsnah ist denn unsere Ausbildung? Kann man das Erlernte wirklich in der Schule anwenden? Natürlich spielt hier die fachliche Komponente eine der wichtigsten Rollen. Ohne Fachwissen wird Unterricht nicht möglich sein. Aber wie den Stoff an die Kinder bringen? Ich muss vielen meiner Kolleg*innen zustimmen: Es ist „Learning by doing“. Man kann zwar verschiedene Techniken erlernen, aber sich vor eine Klasse zu stellen und zu sprechen, lernt man nicht. Das muss man einfach „haben“. Man muss als Lehrer*in eine Gabe und auch den Willen haben, sich vor eine Klasse zu stellen und einfach drauflos zu reden. Wenn einem schon der Angstschweiß auf der Stirn steht beim Gedanken an freies Sprechen, sollte man definitiv einen anderen Beruf wählen. Man kann leider nicht lernen, dass man es gerne tut. Eine weitere Kompetenz, die man braucht, aber nicht auf der Uni lernt, ist Flexibilität. Wenn beispielsweise die Fragen nur so auf einen einprasseln und man gleichzeitig alle Anwtorten parat haben sollte.

So wie heute in der 1c. Die Kids haben erst vor Kurzem ihre neuen Tablets bekommen und sind vollkommen darauf fixiert. Deswegen habe ich mir gedacht: Machen wir doch Referate zu einem Thema mit PowerPoint-Präsentation. Schadet ja nicht, in die Materie einzutauchen. Geschadet hat es sicher nicht, aber mir klingeln jetzt noch die Ohren. Hätte ich jedes „Frau Lehrerin!“ mitgezählt, wäre ich sicher bei Tausend gelandet. Die erste Reise am Tablet ist besonders intensiv und es gibt wirklich viele Details zu erklären. „Wie speichert man ein Bild?“, will Luca wissen. „Wie suche ich ein Bild?“, fragt Anna. „Wo finde ich das Programm?“, schaut mich Flora ist großen Augen an. Und so geht es die ganzen fünfzig Minuten, die mir wie eine Minute vorkommen. Es hagelt eine Frage nach der anderen und ich versuche jede, so gut es geht, zu beantworten. Am Ende der Stunde habe ich mindestens fünfzig Mal gesagt: „Nicht rausschreien, bitte aufzeigen!“ und hundert Mal „Pst“. Ganz aufgeregt waren sie alle, weil sie was am Computer machen durften. Mich freut es, wenn sich die Schüler*innen für etwas besonders interessieren und möchte es dann auch fördern. Auch wenn`s mal laut wird und die Aufregung besonders groß ist. Am Ende der Stunde war es für uns alle ziemlich lustig, fordernd und gelernt haben wir sicher auch eine Menge. 

Und genau das ist der Punkt: Sowohl in der Schule als auch auf der Uni lernt man vieles. Manches wird man in der Praxis gebrauchen können, anderes nicht. Gut ist, wenn man ein breites Spektrum an Werkzeugen mit hat, aus denen man wählen und so das Beste für jede Situation rausholen kann. So mache ich das und bestärke meine Schüler*innen, es auch so zu machen. Denn man lernt bekanntlich nie aus.

Sonja Krätschmer

Sonja Krätschmer

Die gebürtige Steierin ist Zweifachmama und war viele Jahren Redakteurin bei der Kleinen Zeitung. Sie folgte nach der Karenz ihrem Hobby und wurde Bibliothekarin. Seit Kurzem ist die Quereinsteigerin in der Mittelschule Spielberg u. a. als Deutschlehrerin tätig.

Bildquelle: Foto Rabensteiner