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Bildquelle: Lukassek/Shutterstock.com
Lesen, Turnen und Notenschluss
Das erste Schulhalbjahr neigt sich dem Ende zu. Nur mehr wenige Tage und die Schulnachrichten werden verteilt. Für viele Viertklässler*innen in der Mittelschule und Unterstufe ist das eine extrem heiße Phase. Und für uns Lehrkräfte bedeutet sie zahlreiche Noten-Diskussionen mit den Wackelkandidat*innen.
So wie letztens: Lukas kommt drei Wochen nach Weihnachten drauf, dass er doch in die HTL will. Aber dazu werden seine Noten nicht reichen. Deutsch 5, Mathe 4, Englisch 3, Geografie 4. Die Punkteverteilung wäre beim Bowling halbwegs OK, im Halbjahreszeugnis machen sich diese Zahlen nicht ganz so gut. „Luki, ich glaube nicht, dass dich mit diesen Noten eine HTL mit offenen Armen nimmt“, seufze ich. „Zumindest nicht ohne eine positive Aufnahmeprüfung“, werfe ich noch ein. „Ja, eh. Aber ich will da schon irgendwie hin“, drückt Lukas herum und steigt von einem Fuß auf den anderen. „Ich weiß, ich habe das erste Semester voll schleifen lassen“, meint er noch kleinlaut. Ach, was habe ich in den vierten Klassen gepredigt, wie wichtig das Halbjahreszeugnis sein wird. Aber anscheinend ist meine Message nicht bei jedem angekommen. Bei Lucia ist es dasselbe in Grün. Sie will in die Sport-HAK und hat in Mathematik ein Genügend, in Deutsch ebenfalls. In Turnen leuchtet mir ein Befriedigend entgegen. „Wieso hast du bitte in Turnen einen Dreier?“, fragte ich fassungslos nach. „Ich war irgendwie nie da im Turnen“, stammelt Lucia verlegen. „Ja und irgendwie ist das schade. Das ist doch eine Note, die für die Sport-HAK entscheidend ist“, meine ich und werde dafür angesehen, als wäre ich eine Spielverderberin und höchstpersönlich für das Befriedigend verantwortlich.
Zum Glück sind diese beiden Ausnahmefälle. Der Großteil der Kids ist heuer besonders bemüht und will ein richtig gutes Halbjahreszeugnis vorweisen. Dafür nehme sie auch extra Anstrengungen auf sich. Viele lesen zusätzlich Bücher und halten Referate und Buchbesprechungen. Das finde ich richtig toll. Die Lesebegeisterung ist in diesem Schuljahr spürbar gestiegen. Ob es daran liegt, dass ich Anfang des Schuljahres die Bibliothek neu organisiert und dekoriert habe? Vielleicht hat geholfen, dass wir Spiele gekauft haben, denn in jeder 10-Minuten-Pause stehen die Kids Schlange, wenn die Schulbibliothek geöffnet wird. Und wer in die Bib kommt, nimmt auch meist ein Buch mit.
Lesekompetenz ist echt wichtig! Dass Kinder und Jugendliche viel lesen ist eigentlich das Essentiellste, wenn es um den Erwerb der korrekten deutschen Sprache und Grammatik geht. Ich müsste jetzt als Deutschlehrerin ein paar trockene Werke aufzählen, die man unbedingt gelesen haben muss. Das fällt mir aber nicht ein. Ob die Kids ein Sportheft aus der Trafik lesen, Comics, Mangas oder einen Jugendroman: Ganz egal. Hauptsache, sie lesen. Das formt die Sprache, den Ausdruck beim Schreiben und verringert die Rechtschreibfehler. Ich weiß sofort, wenn jemand viel liest. Das merkt man beim Satzbau, bei der Kreativität, dem Schreibprozess und wie lange ein Text ist. Was ich als gelernte Bibliothekarin schlimm finde, ist, wenn im Deutschunterricht nur „trockene Werke“ gelesen werden. Es gibt natürlich Literaturklassiker, die man kennen sollte, aber Lesestunden ausschließlich mit Goethe und Schiller bewirken eher das Gegenteil als eine Steigerung der Lesemotivation. Mir hat man im Gymnasium das Lesen ordentlich ausgetrieben. Dabei habe ich, bis ich etwa 12 Jahre alt war, Bücher verschlungen. Aber ab dann war nix mehr mit Buch. Mir hat das fade Zwangs-Lesen im Unterricht gereicht. Dabei gibt es so fantastische, aktuelle Jugendliteratur. Die sollte man lesen. Wissen, wer Schiller und Goethe waren: Ja, das sollte man auch. Aber ein literarischer Überblick reicht im Moment aus.
Lukas und Lucia sollten auch mehr lesen. Vielleicht gelingt ihnen dann die jeweilige Aufnahmeprüfung. Auch wenn sie heuer faul waren, wünschen würde ich es ihnen auf jeden Fall. Ich drücke allen Schüler*innen der vierten Klassen die Daumen, dass sie in die weiterführende Schule gehen können, die sie sich ausgesucht haben. Und dass sie den Lehrberuf ergreifen können, der ihnen am Herz liegt. Und in diesem Sinne wünsche ich auch uns allen schöne und erholsame Semesterferien!