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Lesekompetenz fördern

Praktische Tipps für das (digitale) Lesen

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PRIM, SEK 1

Die renommierte Leseforscherin Cornelia Rosebrock hat Tipps für Sie zusammenstellt, wie Sie in und rund um Ihren Unterricht die (digitale) Lesekompetenz Ihrer Schüler*innen auch mit spezifischen Aufgabenstellungen im Internet optimal fördern können. Weiters finden sich spezifische Hinweise ab der 5. Klassenstufe und den Sekundarbereich 2.

Lesen als schulische Praxis etablieren 

  • Etwa ab der zweiten Jahrgangsstufe sollten Erstleserbücher, ab der dritten sollten regelmäßig Kinderbücher mit mehr als 100 Seiten im Unterricht gefordert werden – in Schulen, in denen das geschieht, werden nachweislich bessere Kompetenzen erreicht, und zwar auch von den Kindern mit schlechteren Voraussetzungen [*]. Nicht jedes Buch muss mit didaktischen Aufgaben umzingelt, gegängelt und in die Länge gezogen werden! Wichtig sind emotional belohnende Leseerfahrungen und der Austausch darüber. 
  • Eventuell allen den Einstieg mit Vorlesen durch die Lehrkraft ermöglichen. Vor allem am Beginn empfiehlt es sich, inhaltlich einfache Bücher wählen, anfangs ggf. mit Illustrationen. 
  • Wenn der erste Band einer animierenden Serie im Unterricht gelesen wird, sollten die folgenden Bände für das Freizeitlesen einfach zugänglich sein.

Kein „Reihum-Lesen“ von ungeübten Texten

  • Das ist lesedidaktisch nachweislich schädlich. Besser: Lautleseverfahren nutzen, in animierende Rahmen einbetten – z. B. Lesetheater, eine Audio-CD erstellen.

Wenn das Lesen noch schwer fällt

  • Lesetandems: Einen besser lesenden „Lese-Buddy“ zuordnen. Die Kinder können streckenweise gemeinsam halblaut und chorisch lesen, oder das schwächere Kind liest nur jedes zweite Kapitel und sie erzählen einander, was jeweils geschehen ist. Das mitmurmelnde Lesen mit Hörtext braucht Begleitung, um sicherzustellen, dass tatsächlich gelesen wird. Lehrkräfte brauchen Klarheit darüber, welche Kinder die Leseaufgaben warum noch nicht leisten können.

Das Freizeitlesen „in Rufweite“ des Unterrichts halten

  • In schulischen Gesprächskreisen – z. B. monatlich – berichten Schüler*innen über ihre Freizeitlektüre, alle bringen ihr Buch mit. Auch die Lehrerin hat ein neues Kinderbuch gelesen und stellt ihre Erfahrungen vor. In dem Rahmen kann „Book Share“ stattfinden: Kinder leihen einander Bücher. Es kann auch vorgelesen werden – aber nach vorgängigem Üben der Passage oder von der Lehrerin.
  • Auch als Lehrkraft sich als Leser*in mit der eigenen (auch privaten) Lesepraxis zeigen und über eigene Literaturerfahrungen authentisch sprechen. 

Lesen als außerschulische Praxis etablieren

  • Zu den klassischen leseanimierenden Verfahren gehören Bibliotheksbesuche, die Arbeit mit Klassen- und Schulbüchereien, Lesungen von Autor*innen, eine individuelle Buch-Wunschliste vor Weihnachten, Ostern und den Ferien erstellen, Anregungen für die Eltern.

Online-Aufgaben

  • Für die Volksschule sollten generell Programme für Kinder genutzt werden. Auch Kinderbuch-Rezensionen nutzen. Im Internet: Einzelne Seiten aussuchen und bearbeiten lassen. Genaues Lesen forcieren, überfliegendes Lesen vermeiden.
  • Gerade im Sekundarbereich können Recherche-Aufträge mit klarer und begrenzter Aufgabenstellung in allen Fächern vergeben werden. Erklärungen für Fachbegriffe und Zusammenhänge mit schreibender KI erstellen lassen. Beachtung und Kritik von Quellen einüben.

Lesekulturelle Kompetenzen vermitteln

  • Auswahl-Kompetenz fördern: Klappentext lesen und darüber nachdenken, die ersten zwei Seiten lesen, Bücher einer Serie wählen, Bücher einer schon bekannten Autorin oder eines Autors aussuchen. Lesenovizen brauchen hier die Tipps der Lehrkraft – und diese gute Kenntnisse aktueller Kinderliteratur.
  • Buch-Beschaffungswege etablieren – Klassen-/Schul-/Stadtbücherei. Vor Festtagen: Was könntest du dir zu Ostern, zum Geburtstag, für die Ferien, zu Weihnachten wünschen? Listen mit Buch-Lieblingen der Klasse erstellen.
  • Für Kinder mit wenig Leseneigung: Ein Buch aussuchen, das thematisch und von der Schwierigkeit her genau zu diesem Kind passt. Es ihm besorgen und selbst mitlesen, das Gespräch suchen. Wenn die Deutschkenntnisse noch schlecht sind, helfen textarme Bilderbücher, mehrfach halblaut gelesen.

 [*] OECD (2021): 21st-Century Readers: Developing Literacy Skills in a Digital World, PISA, OECD Publishing, Paris. https://doi.org/10.1787/a83d84cb-en, S. 120

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Hier noch spezielle Tipps für die Förderung des (digitalen) Lesens ab der Sekundarstufe 1:

Für 5., 6., 7. Klassen:

  • Lese-Olympiade auf Schulebene einrichten: Ein selbstgewähltes Buch im Monat verbindlich fordern.
  • Nicht-Leser*innen gezielt unterstützen: Bei mangelnder Flüssigkeit Lautlesenverfahren. Bei mangelndem Engagement enge individuelle Begleitung und Peer-Austausch.

Ab der 7. Klasse:

  • Für die gemeinsame Lektüre lebenswelt-nahe und aktuelle Literatur gemeinsam auswählen und im Unterricht erfahrungsbezogen verhandeln. Individuelle Lektüren von Büchern oder im Netz (z. B. Blogs) einfordern und Gelegenheit zum Austausch darüber etablieren. 

In der Sekundarstufe 2: 

  • Die eigene literarische Biografie reflektieren, z. B. ein Portfolio zu Leseaktivitäten fortschreiben.
Cornelia Rosebrock

Cornelia Rosebrock

hat nach einem Lehramtsabschluss für die Sekundarstufe 1 Deutsch unterrichtet, war nach ihrer Promotion wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lesezentrum der Pädagogischen Hochschule Heidelberg und bis Herbst 2023 Professorin für Neuere deutsche Literatur und ihre Didaktik an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Dort hat sie zur Lesedidaktik und literarischen Sozialisation geforscht, gelehrt und publiziert.

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